Rohmaterial Agave in der Mezcal-Herstellung
Obgleich man diesen Pflanzen auf den ersten Blick nicht zutraut, für den menschlichen Konsum geeignete Produkte hervorzubringen, ist die Bandbreite derselben sehr groß.
Der gekappte Blütentrieb (quiote) ist eine Spezialität der lokalen Küche und schmeckt nach Kohlrabi. Die Kutikula der Blätter (mixiote) kann abgezogen und mit Fleisch und Gemüse gefüllt und gedämpft werden. Die Einzelblüten (gualumbos) sind ebenfalls essbar und der Saft der erhitzten und ausgepressten Agavenherzen ist als Agavensirup (aguamiel) bekannt. Außerdem ist er Grundmaterial der Vergärung zur Herstellung von Agavendestillaten.
Botanik
Von den derzeit rund 270 beschriebenen Arten der Gattung Agave aus der Familie der Agavoideae findet sich die große Mehrheit im Hochland Mexikos, was darauf hinweist, dass die Entwicklung der Pflanze hier ihren Anfang nahm.
Zur Herstellung von Destillaten werden sowohl kultivierte als auch wildwachsende Arten benutzt, die unterschiedlich lange Wachstumsphasen zwischen 5 bis 15 Jahre oder mehr haben. Tequila darf ausschließlich aus Agave tequilana Weber hergestellt werden, während über 30 Arten zu Mezcal gebrannt werden können, wobei der Gebrauch von A. angustifolia am weitesten verbreitet ist. Beide reifen in circa sieben bis acht Jahren heran, sind kultivierbar, erzeugen einen hohen Zuckergehalt und lassen sich vergleichsweise leicht vermehren. Generell ist die Anzucht von Agaven jedoch sehr arbeitsintensiv.
Die interessanteren Mezcals werden jedoch aus wildwachsenden Arten gewonnen, wobei das terroir, also deren natürlich Umgebung, Lage und Höhe einen deutlicheren Einfluss auf den Geschmack haben als bei Kultivaren. Die bekannteste Wildagavenart für die Mezcalherstellung ist A. potatorum, genannt Tobalá. Die Gewinnung der Agaven ist oft sehr aufwändig, da sie meist an entlegenen Standorten wachsen und der Transport mit Tragetieren erfolgt.
Unterschiedliche Agavenarten erzeugen –ähnlich wie die Rebe beim Wein- unterschiedliche Geschmacksprofile im Endprodukt. Diese unterliegen zwar noch weiteren Einflüssen wie Verarbeitungstechniken in der Brennerei oder dem terroir der Pflanzen, sind aber durchaus wiedererkennbar.
Ernte
Am Ende ihrer vegetativen Phase ist die Agave ausgereift (estar a sazón) und kann geerntet werden. Ziel der Ernte ist das Herz der Agave, wo sie die jahrelang angereicherte Energie als Inulin (eine Kohlenhydraform) gespeichert hat, welches später wieder in Zucker umgewandelt wird.
Falls bereits der Austrieb des Blütenstammes (quiote, varejón, escapo floral) aus der Mitte beginnt, wird dieser gekappt. Dadurch verbleiben die im Laufe der Jahre gesammelten Nährstoffe im Herzen der Pflanze. Diese bleibt noch einige Monate in Natur oder auf dem Feld, selten auch bis zu zwei weiteren Jahre (capón de 2 anos , bien picado).
Zur Ernte werden alle Blätter entfernt (rasurar) und das Herz (corazón, mezonte) knapp über dem Boden abgestochen. Seine Form erinnert nun an eine Ananas oder Kiefernzapfen, weshalb diese Pflanzenteile auch piña genannt werden. Eine Ausnahme bildet hier A. karwinskii, welche einen Stamm ausbildet, der stark verholzt und der Pflanze Ähnlichkeit mit einer Yucca gibt. Unabhängig davon, ob der quiote gekappt wurde oder die Pflanze die Blüte austragen kann, stirbt die Agave bei der Reproduktion, wenn sie nicht zuvor geerntet wurde.
Die Ernte (jima, cosecha) erfolgt stets manuell, je nach Region und Agavenart mit speziellen Macheten (z.B. in Santa Catarina Minas bei Real Minero) oder mit coas, einem kreisrunden, scharfen Blatt an einem langen Stiehl. Während es bei kleinen Herstellern üblich ist, dass der Brennmeister selbst die Agaven auswählt und erntet, werden bei großen Herstellern spezialisierte Erntearbeiter eingesetzt, die jimadores. Diese arbeiten auf Akkord und werden nach Kilogramm geernteter Agave bezahlt. Gute jimadores bestimmen selbst, welche Pflanzen erntereif sind und mit welchem Schnitt (scharf, mittel, lang) die Blätter entfernt werden. Dies hat großen Einfluss auf das Geschmacksbild, da die grünen Anteile der Blattansätze beim Kochen beispielsweise Bitterstoffe produzieren.
Nach der Ernte werden die Agavenherzen in die Brennerei transportiert. Beim Feldanbau mit LKWs, bei Wildpflanzen an schwer zugänglichen Standorten mit Tragetieren.
Auf der nächsten Seite HERSTELLUNG geht es um die weitere Verarbeitung der Agaven zu Bränden.
Vermehrung
Agaven können sich auf drei Arten vermehren:
1. Vegetativ durch Triebe aus den unterirdischen Rhizomen (der „Wurzel“) der Agave, ähnlich wie Ableger. Dies passiert in mittleren der Lebensphase und die jungen Agaven sind genetische Klone ihrer Mutterpflanze, genannt hijuelos.
2. Generativ durch blühen, bestäuben und Ausbildung von Samen, womit die Agaven ihren Lebenszyklus abschließt. Keimlinge dieser Pflanze tragen die Erbinformation der Mutter und des Vaters. Die Blüte wird hauptsächlich von Fledermäusen bestäubt.
3. Falls keine Befruchtung stattfindet, können viele Agaven an den Blütenböden kleine Brutagaven (bulbilos, apomixis) ausbilden, die später herabfallen und Wurzeln schlagen können. Diese Pflanzen sind ebenfalls ein Klon der Mutterpflanze, ohne genetischen Vater. Dies wird teilweise in der Kultivierung durch Abschneiden der Blüten provoziert.
Nicht alle Agavenarten betreiben alle drei Arten der Vermehrung. Dies ist wichtig für Aufzucht und Nachhaltigkeit in der Mezcalproduktion. Die vegetative Vermehrung aus natürlichen Klonen der Mutterpflanze spart Zeit und Arbeit, reproduziert aber einige wenige genetische Individuen immer wieder und erzeugt so über längere Zeiträume Monokulturen mit Anfälligkeit für Krankheiten. Begehrte wilde Mezcalagaven wie A. potatorum oder cupreata bilden gar keine Klone, sondern wachsen nur aus Samen. Durch diese ausschließliche generative Vermehrung sind sie schneller einer Überausbeutung ausgesetzt als Pflanzen, die man per Ableger vermehren und im Feldanbau gewinnen kann.
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Es ist uns wichtig, die Produzenten bei diesen Tätigkeiten zu unterstützen, aber nicht, sie vorzuschreiben, da jeder Produzent eigene Anforderungen hat. Deshalb haben wir auch keine Bio- oder Fair Trade-Zertifizierungen, da wir diese Top-Down-Anforderungen eines „westlichen“ Marktes an traditionelle Hersteller nicht hilfreich finden.
Auf der nächsten Seite geht es um die GESCHÜTZTE URSPRUNGSBEZEICHNUNG, die einige Agavenbrände haben. Und was sie für den Konsumenten bedeuten. Danach geht´s um die HERSTELLUNG.